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Die Zeiterfassung wird in der EU obligatorisch

Von Michael Wüest

In der EU müssen künftig die Arbeitgeber eine systematische Erfassung der Arbeitszeit ihrer Angestellten ermöglichen. Das geht aus einem Urteil des höchsten EU-Gerichts, des EuGH, hervor.

Ein im Mai 2019 veröffentlichtes Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu einem Arbeitskonflikt in Spanien hat weitreichende Folgen für sämtliche Mitgliedstaaten: Die höchste juristische Instanz der EU beschied nämlich, dass die Länder die Arbeitgeber verpflichten müssen, ein System zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit einzurichten.

Grundlage für den Entscheid

Die EuGH urteilte, dass es ohne ein System zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit der Arbeitnehmenden nicht möglich sei, objektiv und verlässlich die geleisteten Arbeits- und Überstunden sowie deren zeitliche Verteilung zu ermitteln. Dadurch ist es für die Angestellten aber äusserst schwierig, ihre Rechte durchzusetzen, wie der EuGH in einer Mitteilung schreibt. Garantiert das Gesetz, dass Mitarbeiter nicht mehr als eine bestimmte Anzahl Stunden pro Woche arbeiten müssen, so lässt sich dieses Recht nur mit einer systematischen Zeiterfassung überprüfen und durchsetzen.

Entsprechende Mindestregeln hat die EU 2003 in der Arbeitszeitrichtlinie erlassen. Demnach darf die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit maximal 48 Stunden betragen, Überstunden eingeschlossen. Ferner gibt es Vorschriften zu Pausen, täglicher und wöchentlicher Ruhezeit, bezahlten Ferien (mindestens vier Wochen pro Jahr) und Nachtarbeit. In bestimmten Fällen kann von diesen Vorgaben abgewichen werden. Die Mitgliedstaaten können für bestimmte Kategorien von Arbeitnehmern (zum Beispiel Kadermitarbeiter) und für einzelne Wirtschaftszweige (etwa die Gesundheitsbranche) Ausnahmen gewähren. Stimmt ein Angestellter überdies aus freien Stücken einem höheren Arbeitspensum zu, so ist auch das zulässig. Insbesondere Grossbritannien hatte sich für diese Ausnahmen eingesetzt.

Verantwortlich sind die Mitgliedstaaten

Der EuGH ist also zu dem Schluss gekommen, dass die von der Arbeitszeitrichtlinie einerseits und der Grundrechts-Charta andererseits verliehenen Rechte nur gewährleistet werden können, wenn die Firmen die Arbeitszeit erfassten. Entsprechend müssten die Mitgliedstaaten nun die Firmen verpflichten, dazu ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten. Es obliege aber den einzelnen Ländern, die konkrete Form des Systems zu bestimmen und gegebenenfalls Ausnahmen für bestimmte Firmen zuzulassen, je nach Grösse, Tätigkeitsbereich oder anderen Eigenheiten.

Bis wann die Mitgliedstaaten die entsprechenden Vorschriften zu erlassen haben, ist noch nicht klar. Das Urteil setzt keine Frist. Grundsätzlich müssten die nationalen Gerichte entsprechende Klagen im Lichte des EuGH-Urteils beantworten. Die Mitgliedstaaten wiederum sind für die Einhaltung des EU-Rechts verantwortlich, und die Kommission muss dies überwachen.